Das Loben von Kindern ist weit mehr als nur ein Ausdruck der Wertschätzung. Es spielt eine entscheidende Rolle in ihrer Entwicklung, insbesondere in den frühen Jahren. In diesem Beitrag beleuchten wir, warum Lob für die kindliche Entwicklung so bedeutend ist und wie Eltern und Betreuungspersonen dies gezielt und wirksam in Kinderkrippen und zu Hause einsetzen können. Gleichzeitig werfen wir einen Blick auf kritische Perspektiven und die möglichen Nachteile von Lob, um ein umfassenderes Verständnis für diesen komplexen Erziehungsaspekt zu bieten.
Warum ist Loben wichtig für die Entwicklung von Kindern?
Das richtige Lob fördert die emotionale und soziale Entwicklung von Kindern nachhaltig. Es stärkt ihr Selbstbewusstsein, motiviert sie und fördert den Wunsch, positive Verhaltensweisen zu wiederholen. Kinder, die regelmässig gelobt werden, entwickeln eine gesunde Einstellung zu sich selbst und ihren Mitmenschen. Dies ist besonders in den ersten Lebensjahren entscheidend, da Kinder hier ihre grundlegenden sozialen und emotionalen Fähigkeiten entwickeln. Lob hilft ihnen, die eigenen Stärken zu erkennen und auf diese aufzubauen, was langfristig eine positive Entwicklung fördert.
Ein weiteres Schlüsselelement des Lobens ist, dass es den Kindern zeigt, dass ihre Bemühungen gesehen und wertgeschätzt werden. Dies vermittelt ihnen, dass ihre Anstrengungen nicht umsonst sind und führt zu einem grösseren Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Kinder lernen durch Lob, dass sie Dinge erreichen können, wenn sie sich anstrengen, und entwickeln dadurch ein grösseres Durchhaltevermögen und Resilienz. Gerade in schwierigen Situationen kann Lob ihnen dabei helfen, Herausforderungen zu meistern und an ihren Aufgaben zu wachsen.
Effektive Lobstrategien für Kinderkrippen und zu Hause
1. Spezifisches Lob:
Loben Sie konkretes Verhalten, anstatt vage und allgemeine Aussagen zu treffen. Spezifisches Lob hilft dem Kind zu verstehen, was genau es gut gemacht hat. Zum Beispiel: „Du hast das Puzzle ganz allein zusammengesetzt! Ich bin beeindruckt von deinem Durchhaltevermögen.“ Solche Aussagen unterstützen das Kind dabei, ein realistisches Selbstbild zu entwickeln und die eigenen Stärken bewusst wahrzunehmen. Dies hilft nicht nur im Moment, sondern auch langfristig, da Kinder so lernen, welche Verhaltensweisen geschätzt werden und welche sie weiterentwickeln können.
2. Ehrliches Lob:
Kinder spüren sehr schnell, wenn Lob nicht aufrichtig ist. Um Vertrauen und Selbstbewusstsein zu fördern, sollte das Lob ehrlich und authentisch sein. Übertriebenes oder unauthentisches Lob verliert an Wirkung und kann sogar das Vertrauen des Kindes schädigen. Statt pauschalen Aussagen wie „Du bist immer so toll“ zu treffen, sollten Sie ehrliches Lob aussprechen, das sich auf beobachtetes Verhalten bezieht. Beispielsweise: „Ich habe gesehen, wie du deinem Freund geholfen hast, das hat mich sehr gefreut.“ So wird das Vertrauen des Kindes in die Ehrlichkeit des Erwachsenen gestärkt.
3. Anstrengungen anerkennen:
Loben Sie nicht nur für Ergebnisse, sondern auch für die Bemühungen. Das Stärken der Anstrengung – auch wenn das Ergebnis nicht perfekt ist – vermittelt dem Kind, dass der Prozess wichtig ist. Dies fördert eine Wachstumsmentalität („Growth Mindset“), die Kinder ermutigt, Neues auszuprobieren und Fehler als Lernmöglichkeiten zu sehen. Zum Beispiel: „Du hast wirklich viel überlegt, um das Problem zu lösen. Das zeigt, dass du nicht so schnell aufgibst.“ Solche Aussagen helfen Kindern, sich nicht nur über das Ergebnis zu definieren, sondern auch über die investierte Energie und den Lernprozess, den sie durchlaufen haben.
4. Angemessenes Lob:
Während Lob sehr wirkungsvoll sein kann, sollte es wohldosiert erfolgen. Zu häufiges oder inflationäres Lob kann seine Wirksamkeit verlieren und das Kind davon abhängig machen. Loben Sie gezielt, damit es wirklich eine Bedeutung für das Kind hat. Statt „Super gemacht!“ nach jeder Kleinigkeit zu sagen, könnten Sie beispielsweise spezifisch auf die Situation eingehen: „Das hast du wirklich sehr geduldig gemacht, obwohl es schwierig war.“ Dies zeigt dem Kind, dass Lob nicht automatisch kommt, sondern dass es mit einem bestimmten Verhalten verbunden ist, das wertgeschätzt wird.
Kritik am Lob: Pädagogische Ansätze ohne Lob
Es gibt pädagogische Ansätze, die dem klassischen Lob kritisch gegenüberstehen oder bewusst darauf verzichten. Eine der bekanntesten Bewegungen in dieser Richtung ist die bedürfnisorientierte Erziehung, wie sie von Alfie Kohn oder Jesper Juul vertreten wird. Diese Ansätze zielen darauf ab, Kindern eine intrinsische Motivation zu ermöglichen und ihre Eigenständigkeit zu fördern, statt sie durch externes Lob zu steuern.
1. Fördert Abhängigkeit von äusserer Bestätigung:
Ständiges Lob kann dazu führen, dass Kinder von der Bestätigung durch Erwachsene abhängig werden und ihre eigenen Werte und Überzeugungen vernachlässigen. Dies kann die Entwicklung einer intrinsischen Motivation behindern – also der Fähigkeit, etwas aus eigenem Antrieb zu tun, weil es Freude macht oder sinnvoll erscheint. Kinder, die ständig gelobt werden, könnten lernen, Dinge nur noch zu tun, um das Lob zu erhalten, und weniger, weil sie selbst daran interessiert sind.
2. Leistungsdruck durch Lob:
Kinder können den Eindruck bekommen, dass sie bestimmte Erwartungen erfüllen müssen, um gelobt zu werden. Wenn Lob oft mit Leistungen verbunden wird, fühlen sich Kinder möglicherweise unter Druck gesetzt, immer wieder ähnliche Leistungen zu erbringen, um positive Aufmerksamkeit zu bekommen. Dies kann zu Angst vor dem Versagen führen, da sie befürchten, bei Misserfolgen keine Anerkennung zu erhalten.
3. Vermeidung von "Gut-Böse"-Denken:
Einige pädagogische Ansätze, wie die Montessori-Pädagogik, legen Wert darauf, Kinder nicht in "gut" oder "schlecht" zu kategorisieren. Lob wird hier als eine Form des Bewertens betrachtet, das Kinder dazu bringen kann, sich ständig auf die Urteile anderer zu konzentrieren, anstatt ihre eigenen Empfindungen und Überzeugungen zu entwickeln. Das Kind lernt, dass es "gut" ist, wenn es etwas Bestimmtes tut, was den Fokus auf eine äussere Bewertung verschiebt.
4. Gefahr der Manipulation:
Kritiker wie Alfie Kohn argumentieren, dass Lob auch eine subtile Form der Manipulation sein kann. Erwachsene setzen Lob ein, um ein bestimmtes Verhalten hervorzurufen. Dadurch wird zwar kurzfristig das Verhalten geändert, aber langfristig entwickelt sich keine tiefergehende Motivation. Das Kind handelt möglicherweise nicht mehr aus eigenem Antrieb, sondern nur noch, um eine erwünschte Reaktion zu erzielen.
5. Fokus auf die Person statt auf das Verhalten:
Lob wird oft pauschal auf die Persönlichkeit des Kindes bezogen („Du bist so klug“), statt auf konkrete Verhaltensweisen. Dies kann das Gefühl erzeugen, dass sie nur dann „gut“ sind, wenn sie bestimmte Ergebnisse erzielen. Solche Aussagen können zu einem statischen Selbstbild führen, das Kindern Schwierigkeiten bereitet, mit Misserfolgen umzugehen.
Pädagogische Ansätze von Montessori und Emmi Pikler
Montessori-Pädagogik:
Maria Montessori legte grossen Wert darauf, dass Kinder intrinsische Motivation entwickeln. In Montessori-Einrichtungen wird Lob daher sehr sparsam verwendet, um sicherzustellen, dass Kinder Dinge aus ihrer eigenen Neugier und ihrem eigenen Antrieb heraus tun. Statt des klassischen „guten“ oder „schlechten“ Lobens setzt Montessori auf wertfreie Beobachtungen und stellt den Prozess in den Vordergrund: Die Kinder werden dabei unterstützt, sich selbst zu reflektieren, anstatt auf äussere Bestätigung zu hoffen. Montessori fördert eine Lernatmosphäre, in der die Kinder durch eigene Erfahrungen und Selbstkorrekturen lernen, was auch die Entwicklung von Selbstvertrauen und Unabhängigkeit unterstützt.
Emmi Pikler:
Emmi Pikler, die vor allem für ihre Arbeit mit Kleinstkindern bekannt ist, legte grossen Wert darauf, dass Kinder sich in ihrem eigenen Tempo und ohne Einfluss von aussen entwickeln können. Für Pikler ist es zentral, dass Kinder selbstbestimmt agieren und dass Erwachsene ihre Entwicklungen möglichst wenig beeinflussen. Pikler betonte, dass nicht wertendes Feedback und aufmerksame Beobachtung den Fokus auf die Fähigkeiten und Interessen des Kindes legt, ohne das Bedürfnis nach Bestätigung zu wecken. Anstatt Lob zu verwenden, sollen Erwachsene eher beschreibend und unterstützend agieren, indem sie z.B. das Verhalten des Kindes sachlich beschreiben, ohne es direkt zu bewerten („Du hast den Turm gebaut, und er steht sehr stabil.“). Piklers Ansatz fördert das Selbstvertrauen und die innere Motivation der Kinder, ohne eine Abhängigkeit von der Meinung des Erwachsenen zu schaffen.
Weitere Tipps zum richtigen Loben
Zusätzlich zu den genannten Strategien ist es wichtig, das Lob in den passenden Kontext zu setzen. Achten Sie darauf, dass das Lob zeitnah erfolgt, damit das Kind den Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und dem Lob erkennt. Lob, das lange nach der eigentlichen Handlung erfolgt, verliert an Bedeutung und Effektivität.
Darüber hinaus sollten Sie darauf achten, auch nonverbale Zeichen der Anerkennung einzusetzen. Eine liebevolle Umarmung, ein Lächeln oder eine Geste der Zustimmung können für ein Kind ebenso wertvoll sein wie gesprochene Worte. Kinder reagieren auf die Körpersprache ihrer Bezugspersonen, und nonverbales Lob kann dabei helfen, die emotionale Bindung zu stärken.
Die Bedeutung von Lob in der Kinderkrippe
In Kinderkrippen trägt das Lob nicht nur zur individuellen Entwicklung bei, sondern auch zur Schaffung einer positiven, wertschätzenden Atmosphäre. Ein Kind, das sich durch aufrichtiges Lob wertgeschätzt fühlt, ist eher bereit, sich in die Gruppe einzubringen und neue Fähigkeiten zu entwickeln. Lob kann so auch die Gruppendynamik positiv beeinflussen und den Zusammenhalt unter den Kindern stärken. Kinder, die einander loben, entwickeln Empathie und lernen, die Leistungen anderer anzuerkennen. Dies fördert ein Gemeinschaftsgefühl und hilft den Kindern, wertschätzend miteinander umzugehen.
Darüber hinaus können Kinder durch das Beobachten von Lob unter Gleichaltrigen lernen, was sozial erwünschtes Verhalten ist. Sie verstehen, dass positives Verhalten Anerkennung findet, was wiederum dazu führt, dass sie versuchen, dieses Verhalten zu imitieren. Betreuungspersonen in Kinderkrippen haben hier eine Vorbildfunktion: Wenn sie Lob richtig einsetzen, lernen die Kinder nicht nur, wie man andere wertschätzt, sondern auch, dass jeder in der Gruppe einzigartig ist und individuelle Stärken besitzt.
Schlussgedanken
Die Kunst des Lobens ist eine kraftvolle Ressource in der Kindererziehung. Durch bewusstes und effektives Loben schaffen Eltern und Betreuungspersonen die Grundlage für eine positive Entwicklung. In der Kinderkrippe sowie zu Hause ist Lob nicht nur ein Mittel der Anerkennung, sondern auch der Schlüssel zur Entfaltung des Potenzials jedes Kindes. Lassen Sie uns also gemeinsam daran arbeiten, unseren Kindern mit ehrlichem und gezieltem Lob den Rücken zu stärken und sie zu ermutigen, mit Freude zu wachsen.
Gleichzeitig ist es wichtig, eine Balance zu finden und die Kinder nicht von ständigem Lob abhängig zu machen. Wir sollten den Kindern helfen, ein inneres Gefühl der Zufriedenheit zu entwickeln, das nicht immer von äusserer Bestätigung abhängig ist. Ein gut dosiertes, ehrliches Lob kann den Unterschied machen und die Kinder darin bestärken, eigenständig, mutig und voller Freude ihren Weg zu gehen.
Hilfreiche Links für Eltern und Betreuungspersonen: