15.04.2025

Status Quo – Was sagt die Forschung zur Mediennutzung bei Kleinkindern? Teil 1

Einleitung

Digitale Medien sind heute allgegenwärtig: Smartphones, Tablets und Smart-TVs prägen den Alltag vieler Familien. Schon in sehr jungen Jahren kommen Kinder damit in Kontakt – sei es durch mitschauende Momente auf dem elterlichen Handy oder durch gezielte Angebote wie altersgerechte Apps. Doch was bedeutet das für Kinder unter drei Jahren? Welche Auswirkungen hat der frühe Medienkontakt auf ihre Entwicklung? Und welche Empfehlungen sprechen Fachleute für die pädagogische Praxis in der Krippe aus?


1. Aktuelle Forschungslage

Studienlage: Obwohl es bislang nur wenige Langzeitstudien speziell zu Krippenkindern gibt, zeigen viele Forschungsergebnisse, dass exzessiver Medienkonsum in den ersten Lebensjahren mit erheblichen Entwicklungsrisiken verbunden sein kann – insbesondere im Hinblick auf Sprache, soziale Kompetenzen, Aufmerksamkeit und Motorik. Frühkindliche Entwicklungsphasen sind geprägt durch unmittelbare Sinneserfahrungen, aktive Bewegungen und soziale Interaktionen – all das kann durch übermässigen Medienkonsum eingeschränkt oder verzögert werden.

Empfehlungen: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die American Academy of Pediatrics sowie zahlreiche pädagogische Fachverbände empfehlen, die Bildschirmzeit für Kinder unter zwei Jahren möglichst ganz zu vermeiden. Für Kinder im Alter zwischen zwei und drei Jahren wird ein sehr behutsamer, kurzzeitiger und stets begleiteter Einsatz digitaler Medien empfohlen – und auch nur dann, wenn es qualitativ hochwertige Inhalte sind, die gemeinsam mit einer Bezugsperson betrachtet werden.


2. Potenzielle Chancen digitaler Medien

Entdeckendes Lernen: Kurze, sorgfältig ausgewählte Medienimpulse – wie etwa interaktive Bilderbuch-Apps oder einfache Tiergeräusch-Spiele – können kindliche Neugier fördern und den Forschergeist anregen. Diese Medien sollten jedoch nie das freie Spiel oder gemeinsame Vorlesen ersetzen, sondern höchstens ergänzen. In der pädagogischen Praxis bedeutet das: Medien können punktuell eingesetzt werden, wenn sie an das individuelle Entwicklungsniveau des Kindes angepasst sind.

Visuelle Unterstützung: Digitale Tools können dazu beitragen, Lerninhalte anschaulich zu vermitteln. Kurze Videos zu Tieren, Pflanzen oder Naturphänomenen ermöglichen es Kindern, neue Eindrücke zu gewinnen und ihr Weltwissen zu erweitern. Wichtig dabei ist, dass solche Inhalte altersgerecht, langsam erzählt und visuell ruhig gestaltet sind. In Verbindung mit echtem Handeln – etwa einem Ausflug in den Wald oder dem Spielen mit Naturmaterialien – können solche Impulse Lernprozesse vertiefen.


3. Risiken und Herausforderungen

Begrenzung realer Erfahrungen: Übermässiger Bildschirmkonsum kann dazu führen, dass Kinder weniger direkte Sinneserfahrungen sammeln – etwa durch Tasten, Riechen, Schmecken oder eigenständiges Bewegen. Diese Erfahrungen sind jedoch zentral für die neuronale Vernetzung im kindlichen Gehirn. Kinder benötigen echte Materialien, körperliche Herausforderungen und alle Sinne, um die Welt zu begreifen.

Bindung und Beziehung: Im Kleinkindalter stehen emotionale Sicherheit, körpernahe Kommunikation, Blickkontakt und gemeinsames Spiel im Vordergrund. Diese Erfahrungen sind durch digitale Medien nicht ersetzbar. Der Aufbau sicherer Bindungen, das Erleben von Mitgefühl und die Entwicklung von Sprache geschehen in einem sozialen Kontext – durch echte Menschen, nicht durch Bildschirme. Auch mediale Angebote mit "freundlichen Stimmen" können den Dialog mit einer realen Bezugsperson nicht ersetzen.

Reizüberflutung: Viele digitale Inhalte – selbst solche für Kleinkinder – sind schnell, bunt und laut. Sie können zu einer Überstimulation führen, die das kindliche Nervensystem überfordert. In der Folge zeigen Kinder Unruhe, Konzentrationsprobleme oder emotionale Auffälligkeiten. Deshalb ist es entscheidend, dass Medieninhalte nicht nur inhaltlich passend, sondern auch gestalterisch reduziert und ruhig sind.


Fazit

Die Forschung spricht sich klar für einen äusserst zurückhaltenden Einsatz digitaler Medien bei unter Dreijährigen aus. Ein bewusster, stark begrenzter und stets begleiteter Einsatz kann in Ausnahmefällen unterstützend wirken – etwa zur Veranschaulichung oder als gemeinsamer Impulsgeber. Entscheidend bleibt jedoch, dass reale Sinnes-, Bewegungs- und Beziehungserfahrungen im Mittelpunkt der kindlichen Entwicklung stehen. Für die pädagogische Praxis bedeutet das: Digitale Medien sind kein Ersatz für echte Interaktionen – aber sie können mit Bedacht und im richtigen Mass als ergänzendes Werkzeug genutzt werden, wenn der Fokus weiterhin auf lebendiger Beziehungsgestaltung liegt.